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05.09.2017 / Auster

Unterwegs die Richtung bestimmen

Wer Geisteswissenschaften studiert, hat oft ein weniger konkretes Berufsbild vor Augen als andere. Doch das kann auch ein Vorteil sein

Geisteswissenschaftler können auf dem Arbeitsmarkt viele Positionen besetzen iStock
Geisteswissenschaftler können auf dem Arbeitsmarkt viele Positionen besetzen iStock
BIRTE SCHMIDT  

Für brotlose Kunst halten es die einen, andere sehen darin gar die Ausbildung zum Taxifahrer: Keine Frage, Geisteswissenschaftlern und ihrem Studium hängt ein zweifelhafter Ruf an. Dennoch gibt es gute Gründe, sich ausgerechnet für ein solches Studium zu entscheiden. Geschichte, Philosophie, aber auch Sprachen, Literatur- und Musikwissenschaften zählen zu den Geisteswissenschaften.

„Das Hauptproblem dieser Gruppe ist, dass es keinen konkreten Arbeitsmarkt für sie gibt, wie es zum Beispiel bei Betriebswirtschaftlern oder Juristen der Fall ist“, sagt Annedore Bröker, Beraterin im Team Akademische Berufe bei der Hamburger Agentur für Arbeit. „Aber man kann auch sagen, dass der Markt für Geisteswissenschaftler keinesfalls schlecht ist, weil es viele Möglichkeiten und Nischen gibt, die man allerdings selber finden muss.“

Deshalb sei es laut der Expertin unabdingbar, sich schon relativ früh zu überlegen, wohin es mit dem Studium einmal gehen soll. Dafür gelte es, Informationen zu sammeln und mit Menschen zu sprechen, die dort arbeiten, wo man selbst einmal hinmöchte. In einem Praktikum lässt sich dann ganz konkret herausfinden, ob der Job zu einem passt.

„Man sollte sich mit unterschiedlichen Branchen auseinandersetzen und auch Stellenanzeigen lesen, um zum Beispiel zu wissen, wie die Positionen überhaupt heißen, auf die ich mich bewerben möchte“, sagt Bröker. Welche Anforderungsprofile verbergen sich überhaupt dahinter? Und was sind das für Institutionen, die öffentlich suchen? „Denn natürlich bewerbe ich mich nicht als Geisteswissenschaftler, sondern als Social Media Manager oder Marketingassistent“, so Bröker. Ein großes Problem von Geisteswissenschaftlern sei, so glaubt die Beraterin bei der Arbeitsagentur, dass sie einfach nicht wüssten, wo sie über all arbeiten könnten.

Roland Osten, Karrierecoach aus Hamburg, stimmt dieser These zu. Er sagt auch: „Jeder hat einen Grund, warum er sich ausgerechnet für dieses Studium entscheidet.“ Wichtig sei, sich diesen bewusst zu machen, um daraus einen passenden Beruf abzuleiten. „Wer Fremdsprachen wie beispielsweise Italienisch studiert, der reist vielleicht gerne und kann das später auch beruflich nutzen, indem er sich zum Beispiel in einer Reiseagentur bewirbt, die sich auf Italien spezialisiert hat oder gar dort ihren Hauptsitz hat“, schlägt er vor. Wichtig sei laut dem Experten zu klären, welche seiner Kompetenzen man über das Fachwissen hinaus noch nutzen könne. „Statt ziellos vor sich hin zu studieren, kann man sich zum Beispiel ehrenamtlich oder nebenberuflich schon auf einen bestimmten Bereich stürzen und Erfahrungen sammeln. Auch freiwillige Praktika in dem gewählten Umfeld bieten sich an.“

„Schließlich geht es in der Abgrenzung zu anderen Absolventen irgendwann darum, welche Erfahrungen man schon gesammelt hat“, sagt auch Annedore Bröker von der Agentur für Arbeit. „Und da haben natürlich diejenigen einen Vorteil, die ein Unternehmen auch schon einmal von innen gesehen haben und die Strukturen und Abläufe eines Wirtschaftsunternehmens kennen. Wichtig ist, zu zeigen, dass ich nicht nur in meinem Elfenbeinturm sitzen geblieben bin.“

Studierenden und solchen, die sich für ein geisteswissenschaftliches Studium interessieren, rät sie, Jobbörsen zu besuchen, die Seminarangebote der Career Center an den Hochschulen zu nutzen oder sich bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur beraten zu lassen.

Denn das Schöne an diesen Studienfächern ist: „Wer genau hinschaut, der entdeckt plötzlich ganz viele Möglichkeiten“, sagt Roland Osten. Und Bröker fügt hinzu: „Wenn es den Unternehmen gut geht, dann wächst auch die Bereitschaft und Offenheit, Querdenker einzustellen oder in interdisziplinären Teams Leute zu beschäftigen, die Probleme anders als ein Betriebswirtschaftler lösen.“ Eines allerdings betont die Expertin: „Zu einem solchen Studium gehört deutlich mehr Mut.“

Extra-Tipp von Annedore Bröker: Die Hamburger Berufsberaterin empfiehlt, das Arbeitsmarktheft für Geisteswissenschaftler vom Wissenschaftsladen Bonn unter www.wila-arbeitsmarkt.de zu abonnieren.

www.wila-arbeitsmarkt.de

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