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Themenwelten Hamburg
50 Jahre Norderstedter Zeitung

Carlo hatte Spaß ohne Ende – und keinen Feierabend

Bevor er beim NDR Karriere machte, half Carlo von Tiedemann als Reporter beim Aufbau der Norderstedter Zeitung. Einmal übernachtete er sogar im Rathaus – notgedrungen

Selfie der Regionalredaktion des Abendblattes in Norderstedt mit Ex-Reporter Carlo von Tiedemann (Mitte). FOTO: ANDREAS BURGMAYER
Selfie der Regionalredaktion des Abendblattes in Norderstedt mit Ex-Reporter Carlo von Tiedemann (Mitte). FOTO: ANDREAS BURGMAYER
Bianca Bödeker 

NORDERSTEDT: „Opa Kudenholdt“, der Einsiedler mit seinen Schafen – ein dankbares Thema! Ihn habe er mindestens 30-mal „ins Blatt gehoben“. „So hatte am Anfang jeder seine Lieblingsthemen, die er streichelte“, erzählt Carlo von Tiedemann beim Besuch in der Norderstedter Redaktion. „Ab jetzt für euch nur Carlo“, ordnet der 75 Jahre alte NDR-Kultmoderator an und trinkt erst mal einen Kaffee. Lehnt sich zurück und guckt in die Runde: „Keiner von euch war dabei, als es losging vor 50 Jahren. Ich bin wieder mal der Älteste.“ Lacht und erzählt weiter – von den Anfängen der Norderstedter Regionalausgabe des Hamburger Abendblatts.

Am Anfang fuhr immer einer mit den Texten nach Hamburg

Schließlich war er es, der als Jungredakteur mit vier weiteren Kollegen die erste Ausgabe am 10. April 1969 aus der Taufe hob. Der Axel Springer Verlag, in dem damals das Hamburger Abendblatt erschien, hatte zuvor beschlossen, sich in den umliegenden Gemeinden zu etablieren und entsandte die Redakteure nach Norderstedt. Getreu dem Motto: „Macht mal eben. Ihr habt zwei Tage Zeit, und dann kommen die ersten vier Seiten“, sagt Carlo. „Wir hatten im Schreiben bereits viel Erfahrung und für die Hauptausgabe des Abendblatts genug Geschichten geschrieben. Aber dann so was Neues in einem Gebiet, das wir nicht kannten. Kollege Werner Stahl war der einzige, der aus dem Norderstedter Raum kam. Gearbeitet wurde nach dem Prinzip: Geh raus auf die Straße und du hast die Geschichte. Einer von uns musste dann immer nach Hamburg fahren mit dem Packen Skripte. Das war wirklich ganz großes Kino und eine der schönsten Zeiten, die man sich als Journalist wünschen kann. Wir hatten Spaß ohne Ende und keinen Feierabend.“

Feuerball über Garstedt: 1969 machte Carlo von Tiedemann dieses Foto, das oft nachgedruckt wurde.
Feuerball über Garstedt: 1969 machte Carlo von Tiedemann dieses Foto, das oft nachgedruckt wurde.
Und gern mal feuchtfröhliche Erlebnisse: Mit Horst Embacher, dem ersten Bürgermeister der damals neugegründeten Stadt Norderstedt, spielte Carlo im Rathaus einmal Skat. Beide sprachen den alkoholischen „Erfrischungen“ so gut zu, dass sie die Zeit vergaßen und eingeschlossen wurden, bis die Putzfrau sie morgens befreite.

Ein Highlight in der damaligen Zeit: Das legendäre Foto von der Baustellen- Explosion im Heroldcenter – veröffentlicht am 3. Juli 1969. „Ich hatte an dem Tag irgendwie so ein Gefühl: Du musst dich hier aufhalten. Irgendwas passiert. Und dann machte es bumm. Dank meiner Spiegelreflexkamera ein tolles Bild, das von vielen Zeitungen und Zeitschriften nachgedruckt wurde.“

Die ehemaligen Redaktionsräume an der Ochsenzoller Straße lagen unweit der Konditorei von Rüdiger Nehberg, dem heute 84 Jahre alten Survival-Experten und Aktivisten für Menschenrechte. „Hinter seinem Haus lagen fette Schlangen – süße Tiere. Bei denen hat er gern mal seinen Mittagsschlaf gemacht. Ich habe schon vor 50 Jahren gemerkt: Das ist ein außergewöhnlicher Mensch.“

Damals trug er noch Krawatte: Carlo von Tiedemann anno 1969 als Reporter in Norderstedt. FOTO: LAU
Damals trug er noch Krawatte: Carlo von Tiedemann anno 1969 als Reporter in Norderstedt. FOTO: LAU
Das alles ist lange her. Seit 1971 arbeitet Carlo für den NDR. 18 Tage pro Monat moderiert er auf 90,3 die Sendung „Hamburg am Mittag“. In zwei Jahren möchte Carlo („Ich habe meinen Traumberuf“) dort sein Jubiläum begehen – 50 Jahre ist er dann beim NDR.

Die Schreibe habe ihn jedoch nie losgelassen. Bereits als Kind habe er Gedichte formuliert. „Und die Zeitung, das ist schon eine besondere Geschichte. Du hast was in der Hand, und das ist durch nichts zu ersetzen.“ Abendblatt, „Bild“ und „Mopo“ gehören zur täglichen Lektüre. „Die hole ich mir morgens um viertel vor sechs an unserer Tanke hier in Quickborn. Zu Hause habe ich fürs Lesen eine gute halbe Stunde Zeit. In der Redaktion noch eine weitere Stunde. Dann werden alle drei Zeitungen intensiv gelesen.“

Welches sind für ihn die außergewöhnlichsten Menschen, denen er bis heute begegnet ist? „Die sind ganz hier in der Nähe“, antwortet Carlo, Schirmherr der Tagesaufenthaltsstätte TAS Norderstedt für Obdachlose. „Sie haben keine Angst vor morgen, weil sie erst mal das Heute bewerkstelligen müssen. Das sind Menschen, die mich immer fasziniert haben, weil sie so tapfer sind und kein Bohei drum machen. Bei den Schicksalen, da denkst du: Alter Verwalter, geht es dir gut.“

Auch seine Eltern habe er bewundert. „Papa war preußischer Generalleutnant. Ein unfassbar ehrlicher Mann. Er ist an einem Sonnabend um 11.10 Uhr in meinen Armen gestorben mit 101. Seine letzten Worte waren: ‚Du gehst zum Dienst.’ Das war ein Befehl. Am Abend habe ich dann die ,Schaubude’ gemacht. Weil er es so wollte. Danach war ich durch.“ Spricht’s, schaut auf die Uhr, nimmt einen letzten Schluck Kaffee, posiert noch schnell für ein Selfie mit der Redaktion, und geht - zum Dienst.


Promi in Quickborn

Carl Ferdinand Hanns-Joachim Franz Friedrich „Carlo“ von Tiedemann wurde am 20. Oktober 1943 im pommerschen Stargard geboren. Er ist der Sohn des Generalleutnants Carl Gerhard Rudolf von Tiedemann und dessen Ehefrau Fides, geb. von Kleist.

Während des Zweiten Weltkriegs flüchtete die Familie nach Holstein zu Verwandten auf das Gut Bockhorn im Kreis Plön.

Nach der Schule machte von Tiedemann beim Axel Springer Verlag eine Ausbildung zum Verlagskaufmann. Es folgte ein zweijähriges Volontariat bei der „Cuxhavener Allgemeinen Zeitung“. Später arbeitete er als Journalist beim Hamburger Abendblatt und Korrespondent für den Springer-Auslandsdienst in Buenos Aires.

Seit 1971 arbeitet von Tiedemann für den Norddeutschen Rundfunk. Von 1992 bis 1998 war der Moderator als Stadionsprecher bei Heimspielen des HSV aktiv. Mit seiner zweiten Ehefrau Julia lebt er in Quickborn, hat aus drei Beziehungen drei Töchter und einen Sohn und ist Großvater der zweijährigen Frieda. böb
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